Politik und Diplomatie hatten in der ehemaligen Bundeshauptstadt vielfältigen Einfluss auf die damalige Beatszene in Bonn. Viele Bands profitierten davon, dass sich im Bereich des diplomatischen Personals natürlich auch Jugendliche befanden, die ihren musikalischen Tatendrang durch aktives Musizieren in Beatbands austoben wollten. Dies taten sie dann auch, allerdings in unterschiedlicher Art und Weise:
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In der Regel schlossen sie sich einer der Bonner Bands an, in der sie dann mitspielten – bis die Eltern (das Schicksal aller Diplomaten) entweder in den Heimatstaat oder in ein anderes Land versetzt wurden und sie dadurch Bonn verlassen mussten. In ganz besonderer Weise profitierten damals die Bands aus Bad Godesberg von dieser personellen Unterstützung. Der Grund war einfach: Die meisten der damaligen diplomatischen Vertretungen hatten sich nicht direkt in der Stadt Bonn, sondern in der beschaulichen und damals noch eigenständigen Stadt Bad Godesberg angesiedelt (Bad Godesberg wurde erst 1969 nach Bonn eingemeindet). Bad Godesberg trug deshalb auch den Beinamen „Diplomatenstadt“.

Nutznießer dieser personellen Unterstützung waren zum Beispiel die Godesberger SUICIDERS, bei denen im Laufe ihrer vierjährigen musikalischen Existenz gleich zwei ausländische Mitglieder spielten:

DENNIS BROWN (oben) aus der amerikanischen Siedlung in Go.-Plittersdorf und ENRIQUE NUGUID (rechts) trommelte bzw. spielte Gitarre bei den SUICIDERS (Enrique Nuguid auch bei den BLACK BIRDS).

 

Bei den Godesber-ger 

BEATURES und DESPERADOS spielte der Diplo-matensohn JONNY JASIN mit, der 1964 die Gruppe aber wieder ver-lassen musste, da sein Vater nach In-donesien zurück-berufen wurde.

 

Aber auch Bonner Bands erhielten „diplomatische“ Verstärkung, wie zum Beispiel PINKY BLUE, bei denen LARS LARSEN und POUL LARSEN, die beiden Söhne des da-maligen dänischen Botschafters, mitspielten (LARS war auch Mitglied bei CHAOTIC TRUST un den KILL-JOYS), bis sie 1968 wieder in Rich-tung Dänemark entschwanden.

Eine weitere Möglichkeit der musikalischen Betätigung für Diplomatensöhne war, sich deutsche Mitglieder für ihre Band zu suchen. Eine solche Gruppie-rung waren TWO PLUS ONE, die aus zwei Amerikanern und einem Deut-schen bestand:

Oder man gründete eine Band, die ausschließlich aus Mitgliedern der jeweiligen diplomatischen Vertretung bestand, wie zum Beispiel die rein amerikanischen Gruppen ABSTRACTS, GREMLINS und GREENLINGS (unten mehr dazu).

Große Bedeutung in der Bonner Beatszene hatte in diesem Zusammenhang ein Auftrittsort, der in der amerikanischen Siedlung im Bad Godesberger Stadtteil Plittersdorf lag: Der HIDEAWAY TEEN CLUB.

In den frühen 50ern wurde in Plittersdorf die HICOGE-Siedlung (High Commissioner of Germany) gebaut, in der „die Amerikaner“ einzogen. Es gab dort unter anderem eine typisch amerikanische Kirche (American Protestant Chapel), ein amerikanisches Einkaufszentrum, ein amerikanisches Kino, eine amerikanische Bibliothek, eine amerikanische Elementary- und Highschool und den „Amerikanischen Club“, in den Staatsoberhäupter wie der damalige amerikanische Präsident Kennedy und Bundeskanzler Adenauer kamen. Es war „Klein-Amerika“. Im Keller dieses „Amerikanischen Clubs“ befand sich der „HIDEAWAY TEEN CLUB“, in dem viele der Bonner Bands, aber auch rein amerikanische, wie die oben bereits erwähnten ABSTRACTS und die GREMLINS, auftraten.

Ich selbst habe mit meiner Gruppe PINKY BLUE nie dort gespielt, bin aber gelegentlich bei den Auftritten der „Guards“, die mindestens elfmal dort spielten, dabei gewesen. Einer dieser Auftritte ist mir noch als besonders peinlich in Erinnerung – das allerdings nicht wegen des Auftritts der Band, sondern wegen meines eigenen Verhaltens:

 Aus entsprechendem Anlass hatte ich im Untergeschoss der Clubs die Toilette aufgesucht. Als ich die Kabine wieder verlassen wollte, hörte ich plötzlich Mädchenstimmen. Mir dämmerte, dass ich wohl aus Versehen durch die falsche Tür gegangen sein musste. Da mir die Peinlichkeit der Situation bewusst war, wartete ich ab, bis die Mädels den Raum wieder verlassen hatten. Genau das aber passierte nicht, denn laufend kamen neue hinzu. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mir ein Herz zu nehmen und aus der Kabine herauszukommen. Kaum hatte ich dir Tür geöffnet, verstummten schlagartig alle Gespräche. Teils entsetzt, teils erstaunt wurde ich angestarrt. So schnell ich konnte, stürmte ich die Treppe in den Saal hoch und verschwand in der tanzenden Menge.

Auch bei Schulveranstaltungen, wie zum Beispielt im NICOLAUS-CUSANUS GYMNASIUM, hatten die amerikanischen Bands ihre Auftritte:

Politik und Beat begegneten sich in Bonn auf Augenhöhe. In der Presse wurden Personalia aus der Bonner Beatszene neben solchen aus der Bun-despolitik publiziert:

Bei Beat- und Politik-Veranstaltungen waren Ort und Zeit gelegentlich sogar identisch. So traten im Januar 1967 sowohl Konrad Adenauer als auch die KINKS zeitgleich im mehrstöckigen Veranstaltungsgebäude BONNER BÜRGERVEREIN auf. Der Einlass erfolgte allerdings durch unterschiedliche Zugänge!
Drei Jahre zuvor schon konnten dort die Teilnehmer einer politischen Veranstaltung  mit Konrad Adenauer das „Skinny Minnie“ von TONY SHERIDAN zwei Etagen tiefer hören

Natürlich profitierten die Bonner Beatbands auch von den vielen Veranstal-tungen, die in den Botschaften, den Vertretungen der Bundesländer, den Ministerien oder im Pressebereich stattfanden:

Die VAGABONDS (oben) ergatterten einen Auftritt im Bundeskanzleramt, dem Palais Schaumburg. Geschniegelt und gestriegelt spielten sie zum Tanz auf. Am Schlagzeug saß Martin Samuel, der später in Großbritannien mit den Gruppen THE CREW und HEATWAVE mehrere Singles herausbrachte.  

Musikalisch immer etwas los war auch bei dem jährlich in der BONNER BEETHOVEN-HALLE stattfindenden Bundespresseball. Hier hatten 1970 die NIGHTSHADES das große Los gezogen.

Zur Erlangung eines Autogramms hatten sich die beiden Bandmitglieder Wolfgang Mett und Klaus Wilke bei dieser Veranstaltung durch den Sicherheitsgürtel des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt gekämpft, waren dann aber doch noch von den Bodyguards des Kanzlers festgehalten worden. Mit dem Hinweis „Lassen sie die Herren ruhig zu mir“ löste Willy Brandt dieses Problem, so dass sie doch noch an ein Autogramm des Kanzlers kamen.

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